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Über die scheinbar unaufhaltsame Abwärtsspirale des politischen Diskurses in Österreich

23. Juni 2015

Über die scheinbar unaufhaltsame Abwärtsspirale des politischen Diskurses in Österreich

Nein, es geht mir nicht gut. Vielleicht interessiert das hier niemanden, denn von einem so genannten „Parteimanager“ erwarten sich alle etwas anderes. Konstruktive Kritiker/innen, Berater/innen oder Freund/innen werden jetzt meinen, ich könne das nicht tun, denn ich müsse Zweifel zerstreuen, Zuversicht wecken, Hoffnung geben. Politische Mitbewerber/innen werden sich die Hände reiben und/oder ins Fäustchen lachen: Ha, Gefühle, ein Zeichen von Schwäche, jetzt haben wir ihn. Bedauerlicherweise werden die gleiche Schadenfreude auch die vermeintlich Linken in der SPÖ versprühen. Dabei sind Gefühle in der politischen Auseinandersetzung so wichtig; am wichtigsten das Mitgefühl, die Empathie für die Mitmenschen.

 

Mich haben die vielen Facebook- und Twitter-Einträge sowie persönliche Nachrichten tief bewegt. Seit gestern wird einmal mehr die Glaubwürdigkeit meiner Partei, der Sozialdemokratie, auf den Prüfstand gestellt. Ich habe Verständnis für die Enttäuschten, die Entmutigten, die Orientierungslosen, die sich etwa fragen: wer garantiert mir, dass eine Stimme für euch nicht den Faschisten zur Macht verhilft? 

 

Wir befinden uns seit gestern an einem neuen Tiefpunkt der Abwärtsspirale des öffentlichen Diskurses in Österreich: aus einer lange geplanten Informationskampagne über die Vorzüge der sozialdemokratisch regierten Lebensstadt Linz wird aufgrund einer Kurzschlussreaktion und von Betriebsblindheit über Nacht ein Aufruf gegen ein Asylzentrum in Linz. Unbestrittene Auswirkung: einmal mehr wird die unappetitliche Hetze gegen Asylwerber/innen angereichert. Unbestritten beschämend und schmerzhaft: diese Anreicherung ging von sozialdemokratischen Funktionär/innen aus.

Vordergründig bleibt in der öffentlichen Auseinandersetzung über: ein zu Recht geknickter sozialdemokratischer Bürgermeister und eine Stadtpartei, die eine Stadt verwirklichen möchten, in der alle Menschen gut leben können, nachweislich viel für die Integration und das Zusammenleben aller Menschen in dieser Stadt getan haben, auch zahlreiche Unterkünfte für hier Hilfe und Schutz suchende Asylwerber/innen geschaffen haben. Die (Partei und Bürgermeister) jetzt überbleiben als Gegner eines Asylzentrums, die in der Zuspitzung einer bewusst von allen Seiten geschürten Debatte zu den falschen Mitteln und Argumenten gegriffen haben.

 

Ich möchte hier weder die Aktion noch die handelnden Personen verteidigen oder irgendetwas rechtfertigen. Die Aktion war schlichtweg falsch und alle Beteiligten wissen das mittlerweile.

 

Mich bewegen die Hintergründe, die Entwicklungen, die zu diesem aktuellen Tiefpunkt geführt haben. Mich bewegt ein öffentlicher Diskurs, in dem schon lange nicht mehr Menschlichkeit und gegenseitiger Respekt im Vordergrund stehen. Ich weiß gar nicht, wann genau die Abwärtsspirale dieses Diskurses begonnen hat, ich weiß nur, dass sich alle daran beteiligen: sozialdemokratische Landeshauptleute, die von „Integrationsunwilligen“ sprechen; ein VP-Landeshauptmann, der Menschen in die Pfanne hauen will; eine Partei, die in einem Bundesland dem eigenen Koalitionspartner den Landeshauptmann abpresst; die Koalitionspartei, die das zur Kenntnis nimmt und zur Tagesordnung übergehen möchte; eine dritte Partei, in der in einer Nacht- und Nebelaktion gewählte Vorstände einfach abgesetzt werden können; eine Innenministerin, die aus politischem Kalkül einen Notstand erzeugt; ein so genannter Gipfel, der sich feiert, weil er eine Einigung zu diesem Notstand erzielt hat, ohne eine echte Lösung produziert zu haben;

 

… Nebenbei wird eine Amokfahrt für weitere politische Hetze genutzt und liest man von 400.000 Kindern, die in Österreich in Armut leben, was offenbar niemanden mehr aufregt …

 

Mich erschreckt, dass offenbar niemand bereit ist, dieser Abwärtsspirale Einhalt zu gebieten. Kein gemeinsamer Aufschrei, kein Stopp, kein Besinnen auf die Grundlage zwischenmenschlicher Kommunikation: die (Zwischen-)Menschlichkeit. Stattdessen wird das egoistische und menschenverachtende Verhalten der einen in vielen Fällen als gegeben akzeptiert, während alle verbal auf denjenigen einprügeln, der ein unerwartetes Fehlverhalten eingestanden und sich dafür entschuldigt hat. Bis zur nächsten Entgleisung einer Person, von der wir etwas nicht erwartet haben, bleibt das und nicht das unentschuldigte Fehlverhalten der Mittelpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung. Unter tatkräftiger Mitwirkung der Rechten und Radikalen, deren schleichendes Gift unsere Gesellschaft zerstören kann, weil wir alle es zulassen.

Ich bin mir bewusst, dass an die Sozialdemokratie höhere Maßstäbe anzulegen sind als an andere Parteien oder Interessensgruppen. In einer Welt, in der jegliche moralische und demokratische Werthaltung erodiert, in der auch von den vermeintlich Guten in der politischen Auseinandersetzung der Mensch in der Person gegenüber nicht mehr gesehen wird, ist es allerdings immer schwerer, diesen Maßstäben gerecht zu werden.

 

Gerade deswegen ist es unsere Pflicht, in der politischen Debatte und der Wahlauseinandersetzung mit klaren Prioritäten zu agieren: wir werden uns ab sofort gegen den Sog der Abwärtsspirale stellen, wir wollen den Respekt für ALLE Menschen sowie die Verantwortung füreinander in den Mittelpunkt stellen und uns auf diese Art und Weise als einzig ernsthafte Alternative zu den rechten und radikalen Parteien präsentieren. Mögen sich die Kommentatoren dann möglicherweise weiter darüber auslassen, dass wir zahnlos, ohne Biss oder schicksalsergeben agieren. Mögen die politischen Mitbewerber glauben, dass daraus eine ausnutzbare Gutmütigkeit und Schwäche resultiert. Und mögen unsere Kritiker/innen, die Enttäuschten, die Entmutigten ab sofort jede noch so kleine Aktion von uns genau prüfen, bevor sie uns wieder vertrauen. Wir werden uns jeder Prüfung stellen und selber strenge Maßstäbe an uns legen – damit wir Vertrauen zurückgewinnen und gemeinsam unsere Gesellschaft zum Besseren verändern können.


Landesgeschäftsführer Peter Binder

Text von:

Landesgeschäftsführer Peter Binder

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