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„Rote galten als minder“

11. Februar 2016

„Rote galten als minder“

Interview mit Franz Weiß, einem der letzten Zeitzeugen der Februarkämpfe

Den ArbeiterInnenaufstand in Steyr erlebte Franz Weiss als 13-Jähriger. Sein Vater, Johann Weiss, wurde in Linz erschossen. Die Familie lebte in der Folge in Armut und war – wie alle sozialdemokratischen ArbeiterInnenfamilien – als „rotes Gesindel“ punziert. Franz Weiss (95) war von 1974 bis 1984 Bürgermeister von Steyr.

 

Franz, Du hast miterlebt, wie sich der Arbeiterinnenaufstand angebahnt hat, welche Erinnerung hast Du an jene Zeit?

Wer das Falsche sagte, wurde verhaftet. Mein Vater war sehr aktiv und ist mehrmals direkt von einer Versammlung weg verhaftet worden. Es war damals üblich, dass bei sozialdemokratischen Versammlungen ein Spitzel dabei war. Schlussendlich wurden alle roten Vereine verboten.

 

Wie waren die Arbeits- bzw. Lebensbedingungen?

Die Arbeitslosigkeit war sehr hoch, es wurde auch darauf geschaut, dass kein Arbeitslosengeld ausbezahlt werden musste. Die Roten galten als minder. Viele Arbeiterfamilien lebten in Baracken, Krankheiten wie die Tuberkulose waren weit verbreitet. Meine Familie war gleich an der Stadtgrenze zu Steyr in der Arbeitersiedlung im Kraxental daheim, da war es vergleichsweise besser.

 

Das Schicksal änderte aber auch für Deine Familie die Lage.

Es war nicht das Schicksal, es war der Mord an meinem Vater. Er arbeitete in Linz als Hausmeister bei der Gebietskrankenkasse. Eine Heimwehrkugel traf ihn in den Rücken und zerfetzte seinen Darm. Es durften nur sechs Familienangehörige am Begräbnis teilnehmen. Rund um den Urnenfriedhof stand die Heimwehr – „Bajonett auf“.

Nach dem Tod des Vaters gehörten auch wir zu den ganz armen Arbeiterfamilien. Über die Kinderlandverschickung war ich ein halbes Jahr in der Schweiz. Bei der Rückkehr hatte ich eine Aufnahmebestätigung für eine Lehre in den Steyr-Werken, bei der Vorstellung wurden meine Mutter und ich vom Personalchef als „rotes Gesindel“ hinausgeworfen. Ein evangelischer Pfarrer verhalf mir dann doch zu einem Lehrplatz. Das war für uns existenziell!

 

Wie verliefen die Februarkämpfe in Steyr?

Es gab einen Streik, der zum Aufstand führte, der wieder aus dem Zorn der Arbeiterschaft heraus entstand. Der damalige Werksdirektor Herbst hatte sich geäußert, dass es den Arbeitern nicht so schlecht geht, wenn Rosen statt Erdäpfel blühen. Aber Rosen waren für viele die einzige Freude. Der Direktor war verhasst bei den Arbeitern. Nachdem er erschossen worden war, wurde das Josef Ahrer fälschlich angelastet. Der wurde hingerichtet und erst vor ein paar Jahren rehabilitiert.

In Steyr war das Zentrum der Kämpfe die Ennsleite, die mit Kanonen vom Tabor aus beschossen wurde. Die Arbeiter hatten keine Chance, die kämpften mit veralteten Waffen gegen die Allianz aus Heer und Heimwehr. Dann begann die Verfolgung der Schutzbündler.

 

Welche Nachbetrachtung ziehst Du heute?

Auf jeden Fall war es verkehrt, dass so lange über diese Ereignisse geschwiegen wurde. Es galt der Spruch, alte Gräben reißt man nicht auf. Gültig war die Meinung über die geteilte Schuld – eine Geschichtslüge.

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