Aus dem märchenhaften Land ob der Enns – zweiter Teil
Zweiter Teil: Wie der Fürst sein Volk überlisten konnte
Auch diesmal handelt es sich um kein wirkliches Märchen. Die folgende Geschichte betrifft den Bau des Linzer Musiktheaters. Die Quellen finden sich im Anhang.
Es war einmal im märchenhaften Land ob der Enns. Der kleine, aber großherzige Fürst, der dort herrschte, liebte nicht nur die Burgen und Schlösser in seinem Reich über alles. Nein, auch die Musik, die wunderbaren Klänge der Barden und Minnesänger, hatte es ihm angetan.
Der kleine, aber großherzige Fürst liebte die Barden und Minnesänger in seinem Land so sehr, dass er beschloss, ihnen ein eigenes Theater zu errichten. Und obwohl er selbst noch jung und noch nicht lange von Gottes Gnaden in sein Amt gehoben worden war, hatte er große Pläne. Groß sollte das Theater werden, um die Großherzigkeit des Fürsten auszudrücken, und Platz für seinen gesamten Hofstaat sollte es bieten. So beauftragte er seine adeligen Freunde, die ebenso wie er begeistert von dieser Idee waren, einen geeigneten Platz zu suchen.
Nicht lange dauerte es, bis den Adeligen ein geeigneter Platz ins Auge fiel. Direkt unter dem fürstlichen Schloss sollte das Theater errichtet werden! Mitten im Berg! Zwar würde der Fürst für diese Lage mehr Gulden zahlen müssen, als anderswo. Doch er könnte direkt vom Schloss in sein wundervolles Theater gehen und den Klängen der Barden lauschen, ohne quer durch die Stadt laufen zu müssen. Das gefiel auch dem kleinen, aber großherzigen Fürsten sehr. Und so beauftragte er alle Baumeister des Landes damit, ihm Pläne für sein prächtiges Theater zu entwerfen und vorzulegen.

Entwurf des Theaters im Berg. -linzmobil.at
Schnell war ein Plan gefunden, und schon bald sollte der Bau dafür beginnen. Doch als das Volk davon erfuhr, welche Pläne der kleine, aber großherzige Fürst hatte, war es nicht begeistert. Die Leute forderten, auch dazu gefragt zu werden – immerhin waren es ihre Steuern, mit denen das Theater finanziert werden sollte. Nach einigen Monaten der Unruhe war es dem Fürsten schließlich unangenehm geworden, und so trat er auf seinen Balkon hinaus und stellte eine Frage an sein Volk: „Wollt ihr, dass ein Theater errichtet wird, in dem ich meinen geliebten Musikern lauschen kann?“
„Nein, das wollen wir nicht!“ antwortete die große Mehrheit des Volkes mit lautem Geschrei.
Mit gesenktem Kopf ging der Fürst wieder in sein Schloss zurück. War sein Traum vom prächtigen Theater geplatzt? Da brachte ihn ein Berater auf eine Idee: Der Fürst müsse doch nur ein paar Jahre warten, bis das Volk wieder vergessen hat, was es ihm auf den Balkon zugerufen hat. Das gefiel dem kleinen, aber großherzigen Fürsten sehr gut, und auch wenn er nicht glauben konnte, dass sein Volk diese List nicht durchschauen würde, handelte er so, wie ihm sein Berater es empfohlen hatte.
Einige Jahre vergingen, in denen der Fürst und sein Hofstaat emsig an dem neuen Theater planten. Noch prächtiger und prunkvoller als der erste Vorschlag solle es sein. Kosten würde es 150 Millionen Gulden, die der kleine, aber großherzige Fürst in den nächsten Jahren von seinem Volk einnehmen würde. Und diesmal würde er das Theater inmitten der Stadt bauen lassen, damit auch das ganze Volk sehen konnte, wie großherzig er war. Und welch gutes Auge für prächtige Bauten er hatte. Und wie sehr er die Musiker und Barden liebte. Ach ja, und auch das Volk! Das liebte er natürlich auch. Für dieses gab es einen eigenen Park vor dem Theater, der von allen besucht werden konnte. Wie gutherzig der Fürst nicht war!

Das fertige Musiktheater Linz bei Nacht. – landestheater-linz.at
Und so kam es schließlich, dass der Fürst nur dreizehn Jahre, nachdem er sein Volk vom Balkon aus befragt hatte, vor dem vollendeten Theater stehen konnte. Mit einem pompösen und prächtigen Fest, zu dem der ganze Hofstaat und die Barden aus seinem Reich und allen umliegenden Ländern geladen wurden, feierte der Fürst seinen Triumph. Es war ihm gelungen, die große Mehrheit des Volkes einfach zu überlisten. Zwar war er selbst mittlerweile nicht mehr jung, und auch seine Zeit als Fürst ging langsam zu Ende. Doch er hatte es geschafft, sein wunderbares, prächtiges und prunkvolles Theater zu errichten – obwohl das Volk nicht dafür gewesen war. „Irgendwann“, dachte er sich, „würde es schon Gefallen daran finden.“
Und wenn sie nicht gestorben sind, so feiern sie noch heute.
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Quellen:
Artikel der Oberösterreichischen Nachrichten vom 15.04.2009
Artikel von orf.at vom 12.04.2013
Artikel von Ö1 via Nextroom
Wikipedia-Artikel zum Musiktheater Linz