Kindergarten-Strafsteuern: “Wir stehen klar auf der Seite der Eltern”
Kurz vor der Landtagswahl 2009 hat die ÖVP der langjährigen SPÖ-Forderung nach einem Gratiskindergarten zugestimmt. Die Folge: Tausende Familien in Oberösterreich spürten eine deutliche finanzielle Entlastung. „Der Gratiskindergarten ist ein wichtiger Schritt für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Wer das sagte? Der damalige Landeshauptmann Pühringer. Nun, neun Jahre später, sieht alles anders aus. Und die schwarz-blaue Landeskoalition lässt keine Minute ungenützt, um Oberösterreich ihre eiskalte politische Handschrift zu verpassen. Der Gratiskindergarten ist Geschichte.
Oberösterreichs SPÖ-Vorsitzende Landesrätin Birgit Gerstorfer steht klar auf der Seite der Eltern und ist gegen diese neue Kindergarten-Strafsteuer.
Weil Kindergärten die ersten Bildungseinrichtungen sind und unbedingt kostenlos sein sollen.
Weil gerade Elternteile, die Teilzeit arbeiten, besonders betroffen sind.
Weil Nachmittagsgebühren eine eiskalte Retro-Politik verkörpern.
Weil Sparen bei Bildung und Kindern der falsche Weg ist.
Weil sich die Abwicklung zu einem wahren „Bürokratiemonster“ entwickelt.
Was sind die Folgen der neuen Kindergarten-Strafsteuern?
„Die einen Mütter werden ihre Kinder abmelden, da sie sich die Beiträge nicht leisten können oder es sich ganz einfach nicht mehr auszahlt, mehr zu arbeiten. Die anderen Frauen sind auf eine Betreuung an gewissen Tagen zu einer bestimmten Zeit angewiesen und finden dann keine Betreuungseinrichtung im Ort mehr vor, weil ihre Gruppe nicht mehr zustande kommt. Diese werden so aktiv vom Arbeitsleben ferngehalten“, sagt Gerstorfer.
In den Gemeinden dürfen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister jetzt als Buhmänner herhalten, weil sie die Stelzer-Strafsteuern, die ihnen von der schwarz-blauen Regierungskoalition in Oberösterreich aufgedrückt wurden, ausbaden müssen. „Ich verstehe deren Ärger, sie haben meine vollste Unterstützung. Wie die Situation in den Gemeinden wirklich ist und warum viele Nachmittagsgruppen gefährdet sind, werden unsere beiden Bürgermeister Franz Allerstorfer aus Feldkirchen an der Donau und Fritz Hosner aus Geiersberg anschließend schildern“, so Gerstorfer.
Klar ist: „Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehen wir uns klar auf der Seite der Familien und insbesondere auf der Seite der Alleinerziehenden. Wir stehen nicht für eine Politik, in der die ganztägige Kinderbetreuung vom Einkommen der Eltern abhängt. Wir stehen für eine Politik des sozialen Ausgleichs und der sozialen Gerechtigkeit“, sagt Gerstorfer.
Mit Ende des gebührenfreien Kindergartens droht Ende der Wahlfreiheit für Familien und Frauen.“
Petra Müllner
Grund dafür sind konkrete Rahmenbedingungen:
Oberösterreich ist Schlusslicht im Bundesländervergleich bei den Öffnungszeiten im Kindergarten, wie sogar im Dezember 2016 von Familienministerin Karmasin bestätigt.
Das Land Oberösterreich kürzt den Budgetansatz 240 „Kindergärten“ für das Jahr 2018 um 9,5 Mio Euro (-5,8%) von 162,7 Mio Euro (2017) auf 153,2 Mio Euro (2018). Gleichzeitig steigen die Einnahmen im Gesamtbudget um 4,76%!
Die Transferbilanz zwischen Gemeinden und Land verschlechtert sich 2018 laut Landesbudget auf -418 Mio Euro zulasten der Gemeinden. Diese finanzielle Überforderung durch das Land schränkt den Gestaltungsspielraum der Gemeinden auf ein Minimum ein.
ÖVP und FPÖ haben die SPÖ-Initiative für einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung in Oberösterreich abgelehnt.
„Die schwarzblaue Kindergartensteuer wirkt dramatisch, weil sie viele Frauen in Oberösterreich zum Zuhausebleiben zwingt. Da geht es einerseits um die finanzielle Belastung, aber auch darum, dass in vielen Gemeinden keine Nachmittagsbetreuung mehr zustande kommt. ÖVP und FPÖ berauben damit die Familien der selbstbestimmten Entscheidung, ob einer oder beide Elternteile berufstätig sein wollen. Das ist frauenfeindlich und ungerecht“, zeigt SPÖ-Familiensprecherin Petra Müllner auf.
Während andere Gesetze mit den verantwortlichen Partnerinnen und Partnern vorbereitet und begutachtet werden, war die Kinderbetreuungs-Gesetzesnovelle ein Negativbeispiel für Drüberfahrer-Politik. Das Gesetz selbst wurde im Budgetbegleitgesetz versteckt. Es gab keine sachlich-inhaltliche Diskussion mit den Kindergartenträgern. Es gab keine sachlich-inhaltliche Beratung im Bildungsausschuss des Landtags.
Der Beginn des kostenpflichtigen Nachmittags um 13 Uhr ist pädagogisch falsch, weil die kleineren Kinder währenddessen rasten. Damit sie um 13 Uhr „abholbereit“ sind, muss der Tagesablauf im Kindergarten vollkommen umgestellt werden. Gerade für PendlerInnen bedeuten Öffnungszeiten bis 13 Uhr, dass in der Praxis nicht einmal Teilzeitarbeit möglich ist. Tarifgestaltung mit 2-, 3- und 5-Tagestarifen geht an der Realität vorbei, weil viele Kindergärten am Freitagnachmittag gar nicht geöffnet haben. Trotzdem muss für 4 Tage der 5-Tages-Tarif gezahlt werden.
Durch die Kindergartensteuer wird der Gesamtkuchen für Kinderbetreuung nicht erhöht, weil gleichzeitig das Land Oberösterreich seinen Anteil an der Kinderbetreuung massiv kürzt (anstatt ihn zumindest zu valorisieren!). Im Gleichschritt mit der Kindergartensteuer kommen auch pädagogische Rückschritte und Nachteile für Kinder und BetreuerInnen wie größere Gruppen (+2)! Viele Arbeitsplätze von KindergartenpädagogInnen und HelferInnen werden verschlechtert: Es drohen Stundenkürzungen bis hin zum Arbeitsplatzverlust in einer ohnehin relativ gering entlohnten (Frauen)Branche.
Brutto-Netto-Fehler von Landesrätin Haberlander
„Jeder Arbeitnehmer weiß, dass es große Unterschiede zwischen brutto und netto gibt. Umso erstaunter waren viele, dass Landesrätin Haberlander wenige Tage vor Weihnachten verlautbaren ließ, dass der Kindergarten-Höchstbetrag von 110 Euro monatlich bereits ab 3670 Euro brutto Familieneinkommen fällig wird. Ursprünglich war von 3670 Euro netto die Rede – das entspricht aber einem Bruttoeinkommen von über 6.000 Euro!“ kritisiert Müllner die falschen Informationen von Landesrätin Haberlander. Auch wenn man den Betrag von 3670 Euro Haushaltseinkommen auf 2 Einkommen aufteilt, bleibt immer noch ein großer Unterschied zwischen brutto und netto.
Bürgermeister Franz Allerstorfer (Feldkirchen/Bezirk Urfahr): „Land verschiebt Kosten für Kinderbetreuung auf Gemeinden“
„Ich will für die Menschen in der Marktgemeinde Feldkirchen möglichst gute Lebensbedingungen anbieten. Hochwertige Kinderbetreuung mit passenden Öffnungszeiten gehört da jedenfalls dazu. Wenn aber gleichzeitig die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden vom Land massiv gekürzt und die Hauptlast der Kinderbetreuung auf die Gemeinden verschoben werden, dann ist man als Bürgermeister in der Zwickmühle“, bringt es Franz Allerstorfer auf den Punkt. Deshalb hat die Marktgemeinde Feldkirchen eine fundierte Resolution in Sachen Kinderbetreuung an das Land Oberösterreich gerichtet.
Bereits 15 Abmeldungen von der Nachmittagsbetreuung
Obwohl Bürgermeister Allerstorfer und der Gemeinderat von Feldkirchen die Kindergartensteuer ablehnen, haben diese gesetzeskonform die Gebührenpflicht in der Gemeinde umgesetzt. Die Reaktion der Bevölkerung ist zweiteilig ausgefallen: 15 Familien haben sich gegen die Nachmittagsbetreuung entschieden, weil sie darauf nicht unbedingt angewiesen sind und auf diesem Weg Kosten einsparen können. Die anderen können nicht auf das familiäre Zweiteinkommen verzichten und müssen zahlen. Weil bereits ab 3670 Euro brutto Familieneinkommen der Höchstbetrag fällig wird, sind relativ viele zum Zahlen des Höchstbetrags gezwungen. Das bestätigt auch die Einkommensauswertung der Statistik Austria. Deutlich mehr als die Hälfte der „Mehrpersonenfamilien mit Kindern“ verdient über 3670 Euro brutto im Monat.
Bürgermeister Fritz Hosner (Geiersberg/Bezirk Ried): „Können Nachmittagsbetreuung als Gemeinde nicht mehr finanzieren“
„Als Bürgermeister sehe ich es nicht ein, warum die Gemeinde den Elternbeitrag einheben muss, obwohl es eine Landesvorgabe ist. Das ist ungerecht, weil wir als Gemeinde die Bürger gar nicht zur Kasse bitten wollen“, bringt es Bürgermeister Fritz Hosner auf den Punkt. In Geiersberg (ca. 550 Einwohner) entsteht dadurch zusätzlicher Verwaltungsaufwand durch die notwendige Gemeinderatssitzung – weil der Gesetzesbeschluss so kurzfristig umgesetzt werden muss. Aber auch die nunmehr notwendige Kontrolle des Familieneinkommens der Eltern der Kindergarten-Kinder, verursacht zusätzlichen Aufwand in der Gemeindestube. „Wenn uns auf der einen Seite das Land durch die IKD rügt, dass die Gemeinderatssitzungen zu viel Geld kosten und dann das Land selbst eine zusätzliche Sitzung erzwingt, dann denkt man sich in der Gemeinde seinen Teil“, so Hosner.
Gruppenförderung gekürzt und Sonderförderung gestrichen
Die Besonderheit in Geiersberg, dass die Nachmittagsbetreuung nur mit der Sonderförderung des Landes abgehalten werden konnte, wurde bei der Einführung der Kindergartensteuer nicht berücksichtigt. Denn derzeit gibt es die Nachmittagsbetreuung an einem Tag für 8 Kinder. Mehrere Eltern haben bereits erklärt, dass sie nach Einführung der Kindergartensteuern ihre Kinder aus der Gruppe nehmen. „Obwohl die verbleibenden Eltern einen relevanten Bedarf an der Nachmittagsbetreuung haben, so kann ich das als Gemeinde finanziell nicht mehr darstellen. Ohne Sonderförderung und mit der gekürzten Gruppenförderung geht sich das leider nicht mehr aus“, informiert Hosner. Diese Kürzungen der Landesförderungen, die im Bauch des trojanischen Pferds „Kindergartensteuer“ versteckt sind, schlagen voll durch. Verärgert sind die Eltern auch, dass sie für die Nachmittagsbetreuung den 2-Tages-Tarif zahlen müssten, nur weil in der Verordnung kein 1-Tages-Tarif vorgesehen ist.