Gemeinden nicht im Stich lassen – SPÖ fordert rasche Hilfe!
Die Corona-Pandemie stellt nicht nur die Familien, die Betriebe und das Leben aller Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher vor große Herausforderungen. Auch die Gemeinden leisten Herausragendes und sichern die öffentliche Daseinsvorsorge. Für jene Eltern, die beruflich unabkömmlich waren, konnte die Betreuung ihrer Kinder weiterhin gewährleistet werden. Die Versorgung mit Trinkwasser und die Entsorgung von Abwasser und Abfällen waren zu keiner Zeit gefährdet. Die Gemeindeverwaltungen waren – trotz behördlicher Einschränkungen und teilweise geschlossener Amtsstuben – voll funktionsfähig. Die Gemeinden, allen voran die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, blieben auch in Krisenzeiten erste Anlaufstelle bei Problemen und Anliegen. „Ich möchte mich daher vorweg im Namen der SPÖ bei den Gemeinden und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich für Ihren Einsatz in diesen schwierigen Zeiten bedanken“, hebt Landesrätin Birgit Gerstorfer die verantwortungsvolle Arbeit der Städte und Gemeinden hervor.
Kommunen droht finanzieller Kollaps
Leider sind diese Leistungen der Kommunen in der öffentlichen und politischen Debatte bislang kaum gewürdigt worden, ganz zu schweigen von den finanziellen Problemen, auf die die Gemeinden zusteuern. Neuere Prognosen des Finanzministeriums lassen leider noch auf sich warten. Aktuelle Schätzungen von Gemeindebund und Städtebund sehen jedoch für heuer ein Minus von etwa 10 Prozent bei den Ertragsanteilen vor. Dazu kommen noch teils erhebliche Ausfälle bei der Kommunalsteuer und bei den Gebühren/Entgelten, die je nach Gemeinde ein tiefes Loch in den Haushalt reißen werden.
Hilfen von Bund und Land reichen bei weitem nicht aus
Land und Bund haben bisher nicht bzw. kaum auf den drohenden Kollaps der Kommunen reagiert: Das 580‐Millionen‐Euro‐Paket des Landes OÖ enthält lediglich für die Kinderbetreuung 10 Mio. Euro an Unterstützung für die oberösterreichischen Gemeinden, obwohl diese 2019 rund 424 Mio. Euro mehr an das Land bezahlten, als sie über Transfers wieder zurück erhielten. Laut Doppelbudget das Landes OÖ wird dieser negative Transfersaldo zu Lasten der Gemeinden und Gemeindeverbände heuer und nächstes Jahr insgesamt 911 Mio. Euro betragen.
Seitens des Bundes wurde nun 1 Mrd. Euro an Investitionszuschüssen in Aussicht gestellt, wovon 162 Mio. Euro für die oberösterreichischen Gemeinden bereit stünden. Es ist zu befürchten, dass ein Großteil dieser Mittel von den Gemeinden nicht abgeholt werden kann:
- Mit seinem Paket fördert der Bund Gemeinde-Investitionen bis zu 50 Prozent. Der Rest muss von den Gemeinden und dem Land (mittels Bedarfszuweisungen [BZ] bzw. Landeszuschüsse [LZ]) aufgebracht werden. Durch den massiven Einbruch bei den Ertragsanteilen und der Kommunalsteuer werden viele Gemeinden aber nicht in der Lage sein, ihre notwendigen Eigenmittel aufzubringen.
- Dem Vernehmen nach ist in Oberösterreich geplant, wie beim Kommunalen Investitionsprogramm 2017 zuerst die Bundesmittel von den Gesamtkosten abzuziehen und dann den üblichen Verteilungsschlüssel des Landes anzuwenden. Damit würde zwar der Eigenmittelanteil der jeweiligen Gemeinde reduziert, es würde sich aber auch die Förderbasis für BZ und LZ verringern. Für die Gemeinden ist diese Variante weit weniger attraktiv.
Gemeinde A Förderquote 70% | Gemeinde B Förderquote 30% | |
Variante alt (2017) | ||
Gesamtkosten | 100.000 | 1.000.000 |
‒ Bundesmittel (max. 50%) | -50.000 | -500.000 |
= Förderbasis für BZ/LZ | 50.000 | 500.000 |
‒ BZ/LZ | -35.000 | -150.000 |
Eigenanteil Gemeinde | 15.000 | 350.000 |
Variante neu (SPÖ) | ||
Gesamtkosten | 100.000 | 1.000.000 |
‒ BZ/LZ | -70.000 | -300.000 |
‒ Bundesmittel (max. 50%) | -30.000 | -500.000 |
Eigenanteil Gemeinde | 0 | 200.000 |
- Die Bundesregierung beschränkt ihre Zuschüsse auf bestimmte Projekte wie Kindergärten, Schulen, Seniorenheime, Sportstätten und Öffentlichen Verkehr. Finanzielle Aufwendungen, wie sie vor allem in kleineren Gemeinden regelmäßig getätigt werden (wie zB Straßensanierungen, Feuerwehr- und Bauhof-Geräte) sind jedoch nicht vorgesehen. Es ist daher zu befürchten, dass viele Gemeinden keine förderwürdigen Projekte vorweisen können und so um ihre zugesicherten Zuschüsse umfallen.
Die Städte und Gemeinden stehen vor dem Spagat, ihre vielfältigen Leistungen für die Bevölkerung aufrechterhalten zu müssen, bei den aktuellen und drohenden Einnahmen-Ausfällen aber kaum Kosten-Reduktionen vornehmen zu können. Beispielsweise können Gemeinden – wie andere Gebietskörperschaften auch – ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zur Kurzarbeit anmelden. Gleichzeitig sind finanzielle Mehrbelastungen im Gesundheits- und Sozialbereich heuer und in den Folgejahren nicht auszuschließen.
Für den Vorsitzenden des Oö. GemeindevertreterInnenverbands (GVV), Bürgermeister Manfred Kalchmair, verschärft die Corona-Krise die ohnehin angespannte finanzielle Lage der oberösterreichischen Kommunen: „Die Gemeinden stehen – besonders in Oberösterreich – bei der Verteilung der Steuermittel am Ende der sprichwörtlichen Nahrungskette. Ich befürchte, dass sehr viele Gemeinden ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen können und in den Härteausgleich abrutschen werden!“
Den Vorschlag von Landeshauptmann Stelzer, dass die Gemeinden zur Aufbringung ihrer Eigenmittel und „schlimmstenfalls auch zur Finanzierung des laufenden Betriebs“ eben mehr Kredite aufnehmen müssen, empfindet der GVV-Landesvorsitzende als blanken Hohn. Der Vergleich mit den anderen Bundesländern zeigt bereits jetzt deutlich die hohe Verschuldung der oberösterreichischen Kommunen (2,315 Mrd. Euro) im Verhältnis zum Land (1,927 Mrd. Euro). Die Schere dürfte mittlerweile noch weiter auseinander gegangen sein, weil das Land OÖ seinen Schuldenstand letztes Jahr weiter reduzieren konnte. Diese Schieflage kommt nicht von ungefähr, tragen doch die Gemeinden in Oberösterreich (gemeinsam mit jenen aus Vorarlberg) die höchste Transferbelastung gegenüber ihrem Bundesland.
SPÖ fordert Hilfspaket als ersten Schritt
Die oberösterreichischen Kommunen benötigen daher dringend ein unbürokratisches Hilfspaket, um ihre Liquidität sicherstellen, die Leistungsfähigkeit aufrechterhalten und ihrer Aufgabe als Investitionsmotor – besonders in Zeiten einer massiven Wirtschaftskrise – nachkommen zu können:
- In einem ersten Schritt muss das Land Oberösterreich ab sofort den Entfall bei den Gemeinde-Ertragsanteilen zumindest 2020 und 2021 zur Gänze ausgleichen. Nach einer BMF-Prognose vom April würden dafür heuer und nächstes Jahr zusätzliche Mittel von insgesamt etwa 200 Mio. Euro benötigt (diese Prognose ist mittlerweile aber nicht mehr realistisch). Rasch und unbürokratisch könnte den Gemeinden gegebenenfalls durch ein zeitlich befristetes Aussetzen der Landesumlage geholfen werden. Über sie hebt das Land (laut Doppelbudget) heuer und nächstes Jahr 124 bzw. 127 Mio. Euro von den Kommunen ein.
- Als zweiten Schritt benötigen die Städte und Gemeinden Unterstützung bei der Kommunalsteuer (durch das Land und/oder den Bund), von deren Rückgang besonders die – an sich wirtschaftlich starken – Industrieregionen betroffen sind. Im Mai war die Kommunalsteuer teilweise bis zu 50 Prozent eingebrochen. Das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) rechnet in der Jahresperspektive mit einem Minus von 7 bis 12 Prozent, abhängig von der Dauer der Kurzarbeit und der Höhe der Arbeitslosigkeit.
- Die Investitionszuschüsse des Bundes müssen 1:1 bei den Gemeinden ankommen. Sie müssen daher ausschließlich auf den Eigenmittelanteil der jeweiligen Gemeinde angerechnet werden und dürfen zu keiner Reduktion von LZ und BZ führen (siehe „Variante neu“ auf Seite 3). Nur dadurch kommt die vom Bund vorgesehene Milliarde auch bei den Empfängern an und können mehr Investitionen zur Belebung der Wirtschaft realisiert werden.
- Die Beschränkung auf bestimmte Projekte muss aufgehoben oder zumindest um jene Infrastruktur-Maßnahmen erweitert werden, die in den Gemeinden regelmäßig anfallen. Denn gerade kleinere Investitionen und Sanierungsarbeiten tragen zu einer höheren Wertschöpfung in der Region bei.
„Alle Städte und Gemeinden stehen in der aktuellen Krise vor denselben Herausforderungen, egal welche Partei die Mehrheit hat oder wer die Bürgermeisterin bzw. den Bürgermeister stellt. Jetzt ist auch nicht die Zeit, auf Landesebene die Neuverschuldung gering zu halten und die Gemeinden im Stich zu lassen“, appelliert die SPÖ-Landesvorsitzende Birgit Gerstorfer vor allem Richtung ÖVP und deren Obmann Landeshauptmann Stelzer.
Deutschland zeigt vor, wie es geht
Im Gegensatz zu Bund und Land räumt unser Nachbar den Städten und Gemeinden einen hohen Stellenwert ein, wenn es um die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge und um die Ankurbelung der Wirtschaft geht. Auch in Deutschland drohen den Kommunen hohe Steuerausfälle, weil vor allem die dortige Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle einbricht. Ausfälle bei den Gewerbesteuer-Einnahmen sollen von Bund und Ländern zusammen ausgeglichen werden. Im Rahmen ihres Konjunkturpakets will die Bundesrepublik Deutschland dafür knapp 6 Mrd. Euro übernehmen, um die Kommunen handlungs- und investitionsfähig zu halten.
Eine derartig starke Offensive seitens der Bundesregierung wünschen sich auch die österreichischen GemeindevertreterInnen. Seit Wochen trommelt der GVV bundesweit für die „Rettung der Gemeindeleistungen“ und fordert eine Abgeltung der finanziellen Ausfälle. Der Kommunalsprecher des SPÖ-Landtagsklubs, Landtagsabgeordneter Michael Lindner, unterstützt diese parlamentarische Bürgerinitiative: „Die Corona-Krise führt dazu, dass die finanzielle Situation vieler Städte und Gemeinden immer dramatischer wird und die kommunalen Leistungen akut gefährdet sind. Von meinen Gesprächen – auch mit ÖVP-Bürgermeistern – weiß ich, wie sehr es in den Gemeindestuben brodelt. Ich bin gespannt, wie lange die Bundes- und die Landes-ÖVP noch den Deckel drauf halten können.“
Die SPÖ hat unterdessen im Nationalrat einen Vorschlag eingebracht, von dem alle Gemeinden rasch und gleichermaßen profitieren würden: Als Ausgleich für die massiven Einnahmen-Ausfälle soll jede Gemeinde in Österreich bis Ende August 250 Euro pro EinwohnerIn aus Bundesmitteln erhalten. Dadurch können zum einen Liquidität und Leistungen in den Kommunen gesichert werden, zum anderen können sie weiterhin ihrer Aufgabe als wichtiger Auftraggeber für kleine und mittlere Betriebe in den Regionen nachkommen.