Kein Profit mit Pflegebedürftigen
Spätestens die Pandemie hat einen anhaltenden Gesundheits- und Pflegenotstand in unseren Krankenhäusern verursacht. Die Arbeitnehmer:innen des Gesundheitssektors zeigen die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen, um diese Herausforderungen anzugehen.
Bürgermeister Bundesrat Andreas Babler: „Pflege darf kein privates Risiko sein, mit dem wir unsere Leute allein lassen.“
Für die Sozialdemokratie ist klar: Menschen, die Pflegebedarf haben, dürfen nicht zu Bittsteller:innen gemacht werden. Ein Pflegefall ist ein Schicksalsschlag. Den Menschen raucht der Kopf, sie machen sich Sorgen um ihre Angehörigen.
Diese Sorgen können wir niemandem ganz abnehmen. Aber niemand soll sich neben den vielen Sorgen, die einen bei so einen Schicksalsschlag plagen, auch noch finanzielle Sorgen machen müssen. Die Entscheidung für die richtige Betreuungsform darf nicht von finanziellen Sorgen geleitet werden. Betroffene haben ein Recht auf die beste Pflege! Jede:r muss sich auf die Gemeinschaft verlassen können, wenn man in die Situation kommt, Pflege zu benötigen.
Uns ist auch bewusst, was für ein Knochenjob die Pflege ist. Pflege ist ein hochqualifizierter Beruf. Der neben fachlicher Expertise auch viel Menschenliebe verlangt. Auch unsere Pflegekräfte dürfen auf keinen Fall zu Bittsteller:innen gemacht werden. Sie haben ein Recht auf gute Arbeitsbedingungen und genügend Zeit für ihre Patient:innen. Auf faire Löhne. Auf einen Job, der sie nicht kaputtmacht.
Leider muss man sagen, dass die Bundesregierung bei beiden angesprochenen Punkten versagt. Sie hat zu lange zugesehen. Ein Pflegefall in der Familie ist oftmals finanziell schwer zu stemmen. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind schlecht. Das muss man so klar sagen. Viele Pfleger:innen erzählen mir, dass sie überhaupt keine Planbarkeit mehr haben. Sie wissen heute nicht, ob sie das nächste Wochenende frei haben können oder ob sie wieder einspringen müssen.
Die Regierung schaut zu lange zu.
Wie sie das übrigens auch bei der Teuerung tut. Immerhin haben wir seit Monaten die höchste Inflation in ganz Westeuropa. Wie sie das beim Ärzt:innenmangel getan hat. Mittlerweile müssen wir monatelang auf einen Termin bei einem Kassenarzt warten. Und wie sie das beim Lehrer:innenmangel getan hat. Ansonsten müsste man keine Soldat:innen als Lehrkräfte anwerben. Um die Dramatik der Situation klar zu machen, möchte ich nur ein paar Zahlen nennen.
Bis zum Jahr 2050 ist in Österreich mit einem Anstieg pflegebedürftiger Menschen von derzeit 450.000 auf 750.000 Menschen zu rechnen. Dieser Bedarf an Pflege steigt schneller als die Absolvent:innen in der Pflegeausbildung nachrücken. Bis 2030 werden 75.000 bis 100.000 Pflege- und Betreuungskräfte fehlen, wenn wir nicht handeln. In diesem Fachbereich steht wie auch beispielsweise bei den Lehrer:innen eine Pensionierungswelle an. Das ist aber nicht alles: Wenn wir die Arbeitsbedingungen nicht schleunigst verbessern, könnte uns auch ein Teil der derzeit aktiven und noch jungen Pflegekräfte wegbrechen. Während der Pandemie (2021) haben 44 % der Arbeitnehmer:innen in der Pflege angeben, dass sie monatlich oder noch häufiger über einen Berufsausstieg nachdenken. Und tatsächlich steigen viele aus: Trotz langer Ausbildung ist die durchschnittliche Verweildauer im Beruf nur sechs bis zehn Jahre!
Diese Mischung aus steigendem Pflegebedarf, einem sich zuspitzenden Personalmangel und schlechten Arbeitsbedingungen, die den Job unattraktiv machen, ist ein gefährlicher Cocktail.
Landesrat Michael Lindner: „Das Drehen an einzelnen Schrauben ist zu wenig. Land, Ärztekammer und Sozialversicherung müssen tätig werden.“
Die parteipolitisch motivierte und deshalb falsch angegangene Fusion der Krankenversicherungen hat in Summe rund 1,3 Milliarden Euro „verbrannt“. Statt der versprochenen Patient:innenmilliarde, die man durch Vereinfachungen heben wollte, hat der Rechnungshof fast 300 Millionen Euro Mehrkosten durch das neue Bürokratiemonster gefunden. Es steht fest, dass OÖ die niedrigste Ärzt:innendichte im niedergelassenen Bereich aller Bundesländer hat. Zugleich zahlt die OÖGK aber gemeinsam mit den Gemeinden den höchsten Beitrag im Bundesländervergleich zur Spitalsfinanzierung – und damit auch zu den Ambulanzen, für die die Patient:innen im Umweg über ihre Sozialversicherung bereits einen Beitrag leisten.
Das Drehen an einzelnen Schrauben ist somit mittlerweile zu wenig, wenn sich Land, Ärztekammer und Sozialversicherung nicht aus ihren jeweiligen Komfortzonen bewegen. Die einzigen, die bereits seit langem keinen Komfort mehr im Gesundheitswesen verspüren, sind kranke Menschen bzw. Patient:innen und das Pflegepersonal. Darum sollte endlich das Abschieben von Verantwortung ein Ende haben. Offensichtlich kann das jahrzehntelang aufgebaute und gut gelaufene System so nicht mehr weiter funktionieren.
Die groß verkündete „Patientenmilliarde“ entpuppte sich zusätzlich als gigantische PR-Lüge. 500 Mio. Euro Rücklagen für OÖ sind somit weggeblasen. In Wahrheit ging es ÖVP und FPÖ um Zugriff auf Macht und Geld, statt um die Patient:innen.
Bürgermeister Bundesrat Andreas Babler: „Wenn wir die beste Pflege für uns und unsere Angehörigen künftig garantieren wollen, dann müssen wir handeln.“
Die Aufgabe ist keine leichte: Wir wollen für eine wachsende Gruppe an Menschen, die bestmögliche Pflege schaffen und gleichzeitig die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten dort erhöhen. Aber genau dafür ist Politik da: Um Lösungen für schwierige Aufgaben zu finden. Und die SPÖ hat konkrete Vorstellungen, wie wir das lösen können.
Die Konsequenzen, wenn weiterhin nichts getan wird, kann man schon jetzt beobachten: Kritische öffentliche Infrastruktur, die Pflegebranche, der Gesundheitsbereich, sind in den letzten Jahren zunehmend ins Visier profitorientierter Investoren gekommen. Internationale Konzerne und Finanzinvestoren haben immer mehr Bereiche der sozialen Infrastruktur vereinnahmt. Diese Entwicklung macht auch vor Österreich nicht Halt und schreitet zum Teil unbemerkt voran. Besonders deutlich zeigt sich das in der stationären Altenpflege: Hier haben die 25 größten shareholderorientierten Investoren ihre Bettenkapazität in Europa seit 2017 um mehr als ein Fünftel auf geschätzt 455.000 Betten erhöht.
Auch in Österreich, das in der Vergangenheit von dieser Entwicklung eher verschont geblieben ist, ist mittlerweile mehr als jedes 5. stationäre Pflegebett von einem gewinnorientierten Konzern.
Das Problem: Statt auf die Steigerung des Gemeinwohls zielen diese Geschäftsmodelle auf die Maximierung des sogenannten Shareholder-Values. Vorrangiges Ziel ist es, das Kapital der Investor:innen zu vermehren. Dabei veranlagen sie privates Kapital über unterschiedliche Wege, etwa in der Errichtung und dem Betrieb von Pflegeheimen sowie Facharztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren. Die Gewinne werden ausgeschüttet und nicht in den Ausbau des Pflegeangebotes gesteckt. Die Folgen sind: Pflege wird teurer, der Zugang wird ungleicher und wir machen uns von internationalen Konzernen abhängig: Wenn ein Konzern in finanzielle Not gerät, sind die Pflegeplätze in Österreich bedroht.
„Die Pflege unserer Eltern und Großeltern darf auf keinen Fall ein Geschäftsmodell werden. Sie haben ein Recht auf die beste Pflege – sie sind Menschen und keine Zahl in einer Kosten-Nutzen Kalkulation!“ Darum müssen wir dieser Entwicklung Einhalt gebieten. Da hat beispielsweise auch das Burgenland gezeigt, wie es gehen kann. Dort muss jede:r, der Landesmittel bezieht, auch gemeinnützig haushalten. Die beste Maßnahme gegen das Vordringen privater Investoren ist aber ein attraktives öffentliches gemeinnütziges System. Die Menschen müssen sich auf eine qualitative öffentliche Pflege verlassen können, damit wir uns sicher sein können, dass unsere Angehörigen in besten Händen sind und pflegende Angehörige – vor allem Frauen – entlastet werden.
Dazu gehört aus Sicht der SPÖ:
- Garantierte kostenfreie Pflege- und Betreuungsleistungen- Pflege darf kein privates Risiko sein.
- Umfassende aufsuchende Betreuung und Begleitung vom ersten bis zum letzten Pflegetag durch regionale Pflegeservicestellen.
- Ausbau der Alltagsbetreuung, um auch pflegende Angehörige zu entlasten
Landesrat Michael Lindner: „Die Arbeitnehmer:innen im Gesundheitsbereich leisten täglich Heldenhaftes.“
Die jüngsten Schließungen von medizinischen Einrichtungen und Kliniken haben zu einer dramatischen Verschärfung der Situation geführt. Die bereits vor der Pandemie bestehenden Engpässe in der Pflege und im medizinischen Personal sind zu einem akuten Problem geworden, das die Qualität der Patient:innenversorgung gefährdet und die Belastung für die verbleibenden Mitarbeiter:innen in untragbare Höhen treibt. Die Arbeitnehmer:innen im Gesundheitswesen sind an vorderster Front im Kampf gegen Krankheiten und Leiden, und sie leisten täglich heldenhafte Arbeit, um das Wohl der Bevölkerung zu sichern. Dennoch werden sie durch chronische Unterbesetzung, lange Arbeitszeiten und mangelnde Unterstützung belastet. Diese Belastungen haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter:innen, sondern gefährden auch die Sicherheit der Gesundheitsversorgung von Patient:innen.
Ein Detail aus dem bundesweiten Forderungspaket der Gewerkschaften zum Gesundheitsgipfel ist die Steuerfreiheit ab der 32. Wochenstunde. Der Gesundheitsbetrieb kann es nicht leisten stillgelegt zu werden. Bekannt ist, dass sich viele Beschäftigten des öffentlichen Gesundheitssystems für Teilzeitarbeit entscheiden (unter den Pflegekräften tut das mehr als die Hälfte). In Summe fehlen dem System damit rund eine Million Arbeitsstunden pro Woche, was einem
Vollzeitäquivalent von 26.000 Beschäftigten entspricht. Damit der aktuelle Personalmangel unter diesen Voraussetzungen nicht zur weiteren (Selbst-)Ausbeutung der Beschäftigten führt, muss Mehrarbeit in systemrelevanten Betrieben finanziell deutlich aufgewertet werden. Die Steuerfreiheit ab der 32. Wochenstunde ist dabei ein wichtiger Anreiz, um kurzfristig Engpässe ausgleichen zu können, bis neues Personal gewonnen und ausgebildet werden kann.
Gesundheit der Patient:innen und der Beschäftigten kann nicht länger warten.
Es braucht jetzt sofort Notmaßnahmen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und langfristig Entlastung zu gewährleisten. Die Lösungsansätze der SPÖ OÖ sind:
- Einführung eines verbindlichen Personalschlüssels in den Krankenhäusern, der sicherstellt, dass ausreichend Personal vorhanden ist, um eine angemessene Versorgung zu gewährleisten.
- Verbesserung der Zuschläge für Teilzeitkräfte, um Anreize für qualifizierte Pflegekräfte zu schaffen. Während der Bund bereits Verbesserungen in diesem Bereich vorgenommen hat, besteht in Oberösterreich hier dringender Handlungsbedarf.
- Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen direkt vor Ort, um pflegende Angehörige zu entlasten. Vereinbarkeit von Familie und Beruf endlich umsetzen!
- Verbesserung bei Pflegestipendien als Instrument zur Förderung der Ausbildung.
- Pflegende zur Ausbildung anstellen. Was sich bei den Sicherheitskräften bewährt hat, kann bei den Pflegenden nicht falsch sein. Dafür: Förderung von Modellen, bei denen zuerst eine Anstellung und dann eine Ausbildung erfolgt. Solche Modelle, wie beispielsweise bei den Barmherzigen Brüdern, sind vereinzelt vorhanden und sollten weiter ausgebaut werden.
- Eine aktive Rekrutierung bei im Land befindlichen Migrant:innen und endlich Lösungen durch die ÖVP-Gesundheitslandesrätin, was die Anerkennung von Vorausbildungen betrifft.
„Geht es den Beschäftigten besser, nutzt das zu all erst den Patient:innen. Die ÖVP/FPÖ-Koalition müsste längst mehr tun, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ein konkretes Beispiel: Längst könnte das Land Oberösterreich für durchgehende Kinderbetreuung sorgen. Wenn das Privatunternehmen wie die Plus City oder die Voest schaffen, kann dass das Land Oberösterreich auch schaffen. Noch dazu hätte das Land Oberösterreich alle Kompetenzen dazu in einer Hand. Eine optimale Kinderbetreuung wiederum kann es Beschäftigten ermöglichen Stunden zu erhöhen.“
Die Verantwortlichen im Gesundheitswesen müssen dringen den Bedürfnissen der Arbeitnehmer:innen nachkommen. Das kann von Personalaufstockung, über attraktivere Arbeitsbedingungen bis zum Ausbau der Aus- und Weiterbildung reichen. Unserer Meinung nach muss auch die Öffentlichkeit über die prekäre Lage im Gesundheitswesen aufgeklärt werden. Es ist notwendig, das Bewusstsein für die Bedürfnisse der Arbeitnehmer:innen und die Auswirkungen auf die Patient:innenversorgung zu schärfen.
Wege zu einem gestärkten Gesundheitssektor.
Nach Gesprächen mit Personalvertreter:innen des gesamten Pflegebereiches im Mai hat sich die SPÖ OÖ einen Einblick in die in Oberösterreich gelebte Praxis geholt. Zusammenfassend kann ich sagen: Die Realität in der Pflegebranche ist drastisch und klar: Der Arbeitsdruck auf die Beschäftigten steigt rapide. Es kann nicht so viel Personal gewonnen werden, wie es braucht. Überstundendruck und Ersatzdienste belasten die Beschäftigten zusätzlich.
Im Klinikum Freistadt, mit einer Belegschaft von 592 Personen, hat jede:r Arbeitnehmer:in durchschnittlich 160 Überstunden im Jahr 2022 leisten müssen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Die durchschnittlichen Überstunden variieren je nach Zuständigkeit.
Urlaubs- und Zeitguthaben durchschnittlich | 31.12.2022 |
Ärztlicher Dienst | 124 |
Medizinisch-technischer Dienst | 153 |
Pflegepersonal | 195 |
Diplompflege | 216 |
Pflegehilfe | 134 |
Hebammen | 170 |
Administratives Personal | 163 |
Der Druck geht über Vertretungsregelungen an die Teams weiter, indem die Verantwortung für Lösungen strukturell auf die Beschäftigten abgewälzt wird. Um die Bereitschaft zu Mehr- und Überstunden, die es fürs Einspringen braucht, wieder zu steigern, wären aus Sicht der Personalvertreter:innen angemessene Zuschläge zwischen 50 und 100 Prozent erforderlich. Gleichzeitig muss gegen den Bettenmangel vorgegangen werden. Die Realität in den öffentlichen Pflegeinstitutionen ist, dass qualifiziertes Personal in die Privatwirtschaft abwandert, was den Druck weiter erhöhe. Eine Teufelskreis nach unten, den die ÖVP/FPÖ-Landesregierung längst stoppen müsste.