Gleichstellung ist keine Mogelpackung
Teilzeitbeschäftigte verdienen im Mittel fast um ein Viertel pro Stunde weniger als Vollzeitbeschäftigte, wie eine Auswertung der Verdienststrukturerhebung der Statistik Austria durch das Sozialministerium zeigt. Während Vollzeitbeschäftigte im Mittel € 13,60 Bruttostundenlohn erzielen konnten, müssen sich Teilzeitbeschäftigte mit € 10,31 begnügen. Diese Zahlen präsentierte Anfang der Woche Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek gemeinsam mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer und beide wiesen darauf hin, dass zwei Drittel des Beschäftigungsanstiegs seit 2009, vor allem bei Frauen, auf den Anstieg der Teilzeitbeschäftigung zurückgeht: mittlerweile arbeitet fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen Teilzeit, bei den Männern sind es acht Prozent.
Die Zahlen in Oberösterreich sind noch deutlicher: Die Vollzeitquote der Frauen (Anteil der vollzeitbeschäftigten Frauen an allen beschäftigten Frauen) beträgt österreichweit 56 %, Oberösterreich liegt mit 52 % vollzeitbeschäftigen Frauen deutlich darunter. Nur in Vorarlberg ist die Teilzeitquote der Frauen noch höher als in unserem Bundesland. Die Vollzeitquote der Frauen in OÖ sinkt, während Teilzeit ansteigt und atypische Beschäftigung boomt. Laut AK-Frauenmonitor sind die atypischen Beschäftigungsverhältnisse in unserem Bundesland zwischen 2004 und 2011 um 16 % gestiegen.
Altersarmut kommt von niedrigen Einkommen
Das ist auch die Ursache dafür, dass zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen laut Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer OÖ kaum bzw. gar nicht mit ihrem Einkommen auskommen. Der Gender Pay Gap liegt bei 39% – damit ist Oberösterreich nach wie vor an letzter Stelle. Wenn sich die ÖVP darum sorgt, dass niedrige Frauenpensionen prolongiert werden, falls das Antrittsalter bei den Frauen nicht schleunigst erhöht werde, dann ist dem klar zu widersprechen: Angesetzt muss dort werden, wo die niedrigen Pensionen entstehen – nämlich bei den Einkommen und Erwerbsmöglichkeiten für Frauen, denn Altersarmut ist die Folge von niedrigen Einkommen!
„Wer das Frauenpensionsalter vorzeitig anheben will und dabei von Gleichstellung redet, wer ständig von Wahlfreiheit redet und Rechtsansprüche vergisst, der will Gleichstellung als Mogelpackung verkaufen, will überhaupt Schluss machen mit Gleichstellungspolitik oder hat kein Wissen über faktische Benachteiligungen von Frauen“, ist für Landesfrauenvorsitzende NRin Sonja Ablinger und 2. Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer klar, dass nur die Abschaffung faktischer Benachteiligungen und gleichzeitig effektive Rechtsansprüche Geschlechtergerechtigkeit garantieren.
Wenn wir die niedrigen Frauenpensionen thematisieren, müssen wir dort hinschauen, wo sie entstehen: bei den geringen Einkommen im Berufsleben und bei den verlängerten Durchrechnungszeiträumen. Weil Frauen ihr Berufsleben wegen Kinderbetreuung und insgesamt der Pflege Angehöriger unterbrechen oder nicht in Vollzeit ausüben, sind die besten Einkommensjahre noch immer von kurzer Dauer.
Zwei Drittel der unbezahlten Arbeit leisten Frauen
Laut Statistik Austria werden 9,7 Mrd. Stunden jährlich für Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege oder ehrenamtliche Mitarbeit zu zwei Drittel von Frauen geleistet, zu einem Drittel von Männern. Annähernd umgekehrt ist das Verhältnis bei bezahlter Erwerbsarbeit: Hier stehen 39% Frauen 61% Männern gegenüber.
Frauenrechte statt Damenwahl!
Frauen wünschen sich Teilzeit, sagt Minister Mitterlehner auf die Kritik, dass der Stundenlohn der Teilzeitbeschäftigten geringer ist als jener für Vollzeit. „Was Herr Mitterlehner verschweigt: dass viele Frauen keine andere Wahl haben, weil sie keinen Vollzeitarbeitsplatz finden, weil sie keine Verkehrsanbindung haben, weil sie keine Kinderbetreuungsplätze für ihren Nachwuchs finden. Frauen würden Teilzeit wünschen, sagt er. Punkt. So verschleiert man die Verhältnisse und redet von Wahlfreiheit. Das ist seine ‚Damenwahl‘. Wir reden von Frauenrechten“, stellt Sonja Ablinger klar.
Dazu gehören folgende Maßnahmen:
- Lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung und damit auch ein Recht auf Wechsel zwischen Teilzeit und Vollzeit.
- Anhebung der Mindestlöhne – ein Vollzeiteinkommen muss eigenständiges Leben garantieren.
- Abschaffung der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe.
- Einklagbarer Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung und bundesweite Standards für Qualität und Öffnungszeiten.
- 5. Ausbau spezifischer Kinderbetreuungsangebote für besondere Situationen wie Nachtdienst.
- Höhere Bewertung der Kinderbetreuungszeiten bei der Pensionsberechnung im Pensionskonto und bessere Anrechnung der Karenzzeiten in allen Arbeitsverhältnissen und Kollektivverträgen.
- Rechtsanspruch auf bezahlten „Papamonat“.
- Rechtsanspruch auf mobile Pflegedienste und Pflegeplatz.
- Pendlerpauschale als entfernungsabhängige Direktzahlung.
- Auftragsvergabe an Gleichstellung koppeln: Aufträge der öffentlichen Hand nur an Betriebe, die sich zu betrieblichen Gleichstellungsmaßnahmen verpflichten.
- Quotenregelungen in Vorständen und Aufsichtsräten, auch in der Privatwirtschaft.
- Die Möglichkeit, für alle MitarbeiterInnen eines Betriebes, anonym und online die verschiedenen Gehaltsgruppen abzufragen und sich selbst mit ihnen zu vergleichen,
- Klagsrecht für Arbeiterkammern und Gewerkschaften bei Verstößen gegen Regelungen bei den Einkommensberichten und Stelleninseraten,
- Kollektivverträge auf Geschlechterbenachteiligung untersuchen und Diskriminierungsfallen schließen. Kollektivverträge für alle Branchen (z.B.: für FußpflegerInnen oder Beschäftigte bei RechtsanwältInnen in OÖ, …)
- Weiterentwicklung der Einkommensberichte:
- Genauere Aufschlüsselung der Einkommensbestandteile (mit allen Zulagen, Überstundenpauschalen, Prämien, Sachleistungen)
- Verpflichtung, die Einkommensberichte von einer unabhängigen Stelle prüfen zu lassen
- Sanktionen bei Verstößen gegen die Einkommenstransparenz
- oVerpflichtende Erstellung eines Maßnahmenplanes, um strukturelle und finanzielle Unterschiede auszugleichen
- Das ist die lange Liste jener Mindestvoraussetzungen, die realisiert werden müssen, wenn man die Pensionen der Frauen erhöhen und Gleichstellung zwischen den Geschlechtern herstellen will, die nicht erst am Ende eines Arbeitslebens beginnt.
Faktenbox:
Frauen verdienen je nach Bezugsgruppen (Vollzeit, Teilzeit oder gesamtes Einkommen) zwischen 30%, 40% bzw. 60% weniger als Männer – in allen Branchen und Berufsklassen, bei gleicher Ausbildung und bei gleicher beruflicher Stellung.
- Richtig ist, dass Frauen weniger verdienen, weil sie Teilzeit arbeiten. Dieser Anteil stieg zwischen 1994 und 2012 von 26 auf 44,9 %. Die hohe Teilzeitquote erklärt auch einen anderen Aspekt des Einkommensnachteils. Frauen verdienen weniger, weil sie weniger Stunden arbeiten. Allerdings sprechen wir hier nur von bezahlter Arbeit. Laut Statistik Austria werden 9,7 Mrd. Stunden jährlich für Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege oder ehrenamtliche Mitarbeit zu zwei Drittel von Frauen geleistet, zu einem Drittel von Männern. Annähernd umgekehrt ist das Verhältnis bei bezahlter Erwerbsarbeit: Hier stehen 39% Frauen 61% Männern gegenüber.
- Fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten und fehlende väterliche Beteiligung führen dazu, dass Mütter von Kleinkindern im Haupterwerbsalter zunehmend auf Teilzeit umsteigen müssen. Besonderen Nachholbedarf gibt es noch bei der Betreuung der Unter-Dreijährigen. So haben 21% der oö. Gemeinden kein Angebot für diese Altersgruppe, die übrigen Gemeinden haben nur sehr wenige Plätze. VIF-konforme und damit Vollzeitarbeitszeit-taugliche Betreuungsplätze gibt es in OÖ überhaupt nur für 2,9 % aller Unter-Dreijährigen. (VIF = Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf und heißt: mindestens 45 Stunden wöchentliche Öffnungszeit, werktags Montag bis Freitag, an 4 Tagen pro Woche mindestens 9,5 Stunden geöffnet, Mittagessen im Angebot und maximal fünf Wochen im Jahr geschlossen.)
- Frauen verdienen weniger, weil sie in schlechteren Arbeitsverhältnissen stehen. Immer mehr Frauen sind berufstätig, aber es sind vor allem Teilzeitbeschäftigungen und prekäre Beschäftigungen, die auf Kosten von Vollzeitbeschäftigung wachsen. Mittlerweile liegt der Frauenanteil bei diesen schlecht abgesicherten Arbeitsplätzen bei 74%.
- Bekannt ist auch, dass in Branchen, in denen Frauen besonders stark vertreten sind, deutlich schlechter bezahlt wird. So betrug 2011 das mittlere Bruttojahreseinkommen von Vollzeitbeschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen (78% Frauen) ca. 20.300 Euro während dieses beispielsweise im Bereich Energieversorgung (81% Männer) über 50.000 Euro erreichte.
- Die Einkommen der Frauen liegt schon zu Beginn deutlich unter jener der Männer. So haben 42 % der Frauen, aber 28% der Männer ein Anfangsgehalt unter 1.200 Euro brutto monatlich, wie die Arbeiterkammer Oberösterreich nachweist.
(Daten und Zahlen stammen aus dem Frauenmonitor 2013 der Arbeiterkammer Oberösterreich.)
„Wir wollen ein entsprechendes Gleichstellungspaket zu schnüren. Wir wollen, dass Frauen, ebenso wie Männer, gut von ihrer Arbeit leben können, gesund in Pension gehen und sich nicht vor Altersarmut fürchten müssen. Für diese Themen haben wir die gesellschaftliche Mehrheit und wir werden auch um politische Mehrheiten ringen. Die vielen kompetenten Frauen, die auf den SPÖ-Listen für die Nationalratswahl kandidieren werden dafür sorgen!“, sind Sonja Ablinger und Gerda Weichsler-Hauer überzeugt.
>> Ingrid Mairhuber zum Pensionsalter