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Gefangen zwischen den Fronten

8. Oktober 2015

Gefangen zwischen den Fronten

Endloses Kabelgewirr, eingestürzte Gebäude, typisch orientalische Überlebenskunst begegnete mir vor wenigen Tagen im Flüchtlingslager Bourj el Barajneh beim Besuch mit einer EU-Delegation im Libanon. Nach 67 Jahren hat sich aus dem von Palästinensern gegründeten Lager ein autarker Stadtteil mit 40.000 Bewohnern entwickelt. „Das Grab der Lebenden“ nennen die Einheimischen das überbevölkerte Ghetto zwischen Flughafen und den Vororten von Beirut. Seit dem Bürgerkrieg in Syrien beheimatet Bourj el Barajneh auch rund 2000 syrische Flüchtlinge. Immer mehr Stockwerke wachsen aus den maroden Fundamenten, einstürzende Häuser gehören zum Alltag. Zu horrenden Preisen hausen 4 bis 5 syrische Familien in den kleinen Wohnungen. Insgesamt gibt es zwölf Camps dieser Art im Libanon. Eine unglaubliche Bewährungsprobe für den fragilen Staat.

 

Das Land steckt in einer Müllkrise, es gibt keinen Präsidenten, kein funktionierendes Parlament. Der Kollaps ist ohne finanzielle Hilfe von außen nur mehr eine Frage der Zeit.

EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer

 

 

Jordaniens Altlasten

Während im Libanon die Zahl der Flüchtlinge explodiert, sind im Zeltcamp Zaatari in Jordanien, meiner zweiten Station, die Bewohnerzahlen (derzeit 78.000) sogar rückläufig. Viele haben sich auf den Weg nach Europa gemacht und manche sind nach Syrien zurückgekehrt . Nicht immer erfolgt die Rückkehr freiwillig. Der Bürgerkrieg (Schwarzer September) der 70er Jahre wirft noch immer seine Schatten. So werden aus Syrien geflohene Palästinenser mit jordanischen Papieren als Sicherheitsrisiko gesehen.

Insgesamt  stellen die 690.000 Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak Jordanien vor schier unüberwindbare Probleme. Weder die Kapazität für Wasser noch Strom ist für die zusätzlichen Haushalte und Camps vorhanden. Schon jetzt wird 450 Meter tief gebohrt, um Wasser für das Zaatari-Camp herbeizuschaffen.

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Der Exodus beginnt

Die Bürgerkriegsflüchtlinge haben die Hoffnung auf eine kurzfristige, politische Lösung des Konflikts in Syrien großteils aufgegeben. Die Flüchtlingsbewegungen zeigen: seit vier Jahren harren rund 4,5 Millionen Syrer rund um die syrischen Grenzen in Flüchtlingslagern aus und warten auf ein Ende des IS-Terrors. Denn alle mit denen ich gesprochen habe wollen nur eines: wieder nach Hause.

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Im Sommer dieses Jahres hat sich die Lage geändert. Sowohl politisch als auch militärisch hat sich nichts bewegt. Das Überleben in den Lagern ist kaum noch möglich. Das Budget für die internationalen Hilfsorganisationen (UNWRA, UNHCR, WFP etc.) die für die Versorgung der Flüchtlinge zuständig sind, wurde im Vorjahr drastisch gekürzt.

 

Die finanzielle Unterstützung für die Lebenshaltungskosten wurde im August halbiert, statt 27 $ pro Monat und Kopf, müssen die Familien nun mit 13 $ auskommen. Ein täglicher Überlebenskampf.

EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer

 

Das Ersparte ist bei den meisten Flüchtlingen längst zu Neige gegangen. Arbeit finden sie nur auf dem Schwarzmarkt als Tagelöhner. 47 Prozent der Flüchtlinge sind Kinder. Mittlerweile hat sich auch eine grausame Industrie von Kinderarbeit entwickelt. In Fabriken und Märkten zahlt man den Kindern noch weniger als den syrischen Tagelöhnern. Ein Lohn-Dumping, das sich auch auf die Einkommen der Einheimischen auswirkt. Jetzt beginnt der Exodus.

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Auf Facebook geteilte Erfolgsmeldungen von Flüchtlingen, die bis nach Europa gekommen sind, ermutigen immer mehr Familien, dass es auch einer von ihnen schaffen könnte. Etwa 2000 Euro kostet die Überfahrt mit einem Schlepperboot. Dazu werden die Häuser in Syrien zu Spottpreisen verkauft, sogar von Organhandel wurde mir berichtet. Oft passiert es, dass Flüchtlinge, wenn sie die maroden Boote, die sie nach Europa bringen sollen sehen, wieder umkehren wollen. Doch das Geld wurde im Vorhinein bezahlt, die Schlepper sind weg, die Hoffnung der ganzen Familie lastet auf den Schultern der meist jungen Männer.

Was kann die EU tun?

Neben der wichtigen finanziellen Hilfe, im nächsten Jahr rund 1,1 Milliarden Euro, muss die EU auch politisch aktiv werden. Die Verhandlungen mit Erdogan, sind nur ein Anfang. Eine Milliarde Euro soll die Türkei für den Aufbau von Flüchtlingslagern für bis zu zwei Millionen Menschen erhalten. Neben finanzieller Hilfe aus Brüssel fordert die Türkei Unterstützung für das Projekt einer Schutzzone im Norden Syriens. Containersiedlungen für 300.000 rückkehrwillige Syrer sollen dort geschaffen werden. Das darf sich freilich nicht gegen die Kurden wenden.

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Grundsätzlich ist die Schaffung von Sicherheitszonen in Syrien ein richtiger Schritt. Allerdings erfordert dies ein gemeinsames Vorgehen der internationalen Gemeinschaft.  Zur Zeit sieht es so aus, dass das noch ein steiniger und langer Weg ist.

Kurzfristig kann nur eines den Flüchtlingen und auch Europa helfen: Die Registrierung für Asylwerbende muss in den Flüchtlingslagern vor Ort möglich sein.


EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer

Text von:

EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer

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