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Die Balkanroute endet in Passau

20. Oktober 2015

Die Balkanroute endet in Passau

Mit Passau verbindet mich sehr viel. Ich bin in der Nähe aufgewachsen. Mein Interesse für die Stadt habe ich nie ganz verloren. Seit ich Abgeordneter bin, ist der Kontakt wieder intensiver. Letzten Freitag war ich bei einer von den Jusos veranstalteten Diskussion über Big Data.

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Big Data in Passau. Zweifellos ein aktuelles Thema. Aber bewegt Passau zurzeit nicht etwas ganz anderes? In ganz Europa ist die Drei-Flüsse-Stadt zum Synonym für Willkommenskultur geworden.

Jean-Claude Juncker hat in seiner großen Rede im Europaparlament explizit auf die Rolle der Stadt hingewiesen. Mitverantwortlich für Passaus guten Ruf ist Oberbürgermeister Jürgen Dupper von der SPD. Ihm ist gelungen, die traditionell CSU dominierte Stadt rot einzufärben. Gegen den Strom schwimmen, das kann er.

 

 

Auch jetzt ist diese Eigenschaft wieder gefragt. Bayerns umtriebiger „Landesvater“ Horst Seehofer hat eine Welle der Angstmache ausgelöst. „Grenzen dicht“ lautet sein Mantra.

EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer

 

Längst schon lässt sich nicht mehr kontrollieren, was er damit losgetreten hat. Aber Hauptsache, er konnte Angela Merkel in Bedrängnis bringen. In Passau müsste er besonders populär sein, denn hier endet die Balkanroute, kaum eine Stadt hat es mit so einer Zahl von Asylsuchenden und den damit verbundenen Anstrengungen zu tun. Hier ist einer der Punkte, wo Flüchtlinge zum ersten Mal systematisch registriert werden. Doch hier stößt Seehofers Angstpolitik weitgehend auf Unverständnis und auf die Macherqualitäten von Jürgen Dupper.

(Foto: Ignaz Märzinger)

 

In Passau werden alle Flüchtlinge, die im Abschnitt von der Dreiländergrenze im Norden bei Breitenberg bis Braunau-Simbach die österreichisch-deutsche Grenze überschreiten, eingesammelt und anschließend auf die gesamte Bundesrepublik verteilt. Das sind täglich zwischen 5000 und 7000 Menschen. Österreich hält sie nicht auf, ja ermuntert sie zur Weiterreise. Der Weg über die grüne Grenze im Mühlviertel ist sogar seit einiger Zeit ausgeschildert. „Germany“ kann man da an manchen Stellen lesen.

 

Seit einem Monat, als Deutschland vorübergehend den Schengen-Kodex außer Kraft setzte, geht das so dahin. Man muss nur die Grundrechnungsarten beherrschen, um zu begreifen, was hier passiert.

EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer

 

Relativ kurzfristig habe ich mich entschieden, die Clearingstelle der deutschen Bundespolizei in Passau zu besuchen. Kurze Anfrage, ein Rückruf: „Natürlich können Sie die besichtigen“. Die diensthabenden Beamten der deutschen Bundespolizei sind auskunftsfreudig („Natürlich können Sie fotografieren“). Sie kommen aus der gesamten Bundesrepublik. Meine Gesprächspartner sind aus der Pfalz. Sie sind engagiert, bemüht und unaufgeregt. Nicht vergleichbar mit der Situation an anderen Übergängen auf der Balkanroute, die ich vor wenigen Wochen besuchte. Kein Gedränge, keine Hektik. Vielleicht liegt es daran, dass die Flüchtenden das Gefühl haben, endlich angekommen zu sein. Die Menschen wirken nicht erschöpft, eher erleichtert. Neugierig.

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Kaum, dass wir stehen bleiben, nähern sich die Menschen. Sie wollen wissen, wohin sie kommen. Wo und wann für sie wieder ein normales Leben beginnt. Eine Syrerin meint, sie hätte Verwandte in Frankfurt und möchte dorthin. Der Polizeioffizier zuckt mit den Achseln, er könne nicht sagen, wohin sie kämen. Das Ziel würde ganz kurzfristig bekannt gegeben. Das hinge von den Transportkapazitäten ab und davon, welches Bundesland gerade Aufnahmekapazitäten melde.

 

Lediglich mit Sachsen gäbe es Schwierigkeiten. „Sie wissen, Pegida“, meint der Offizier.

 

Dieses Wort kommt ihm nicht leicht von den Lippen. Andere Polizisten erzählen mir, wie sinnvoll sie ihren Dienst hier finden. Ganz im Gegensatz zum Alltagsgeschäft in ihrer Heimatregion, wo sie damit beschäftigt sind, Fußballhooligans in Zaum zu halten.

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Es geht aber nicht nur darum, die Menschen auf ganz Deutschland zu verteilen, wo sie dann auf die Bearbeitung ihrer Asylverfahren warten. Die Flüchtlinge müssen ad hoc medizinisch betreut werden, vor allem haben sie Hunger und das Bedürfnis nach Hygiene. Am Hauptbahnhof, wo die meisten Flüchtenden ankommen, ist alles perfekt organisiert. Viele freiwillige Helfer arbeiten im Schichtdienst, „einfache Bürger“ bringen immer wieder Lebensmittel- und Kleiderspenden. So wie ich das auch von Bahnhöfen in Österreich kenne. Hier ist alles eine Spur routinierter und stressfreier. Auf meine diesbezügliche Frage antwortet mir eine Mitarbeiterin. „Wir sind Ausnahmesituationen gewöhnt. Schließlich haben wir alle paar Jahre ein Hochwasser. Und dann halten wir alle zusammen.“

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Ach Passau, Du Stadt meiner Jugend. Du unauffälliges Städtchen, das alle paar Jahre den Ausnahmezustand meistert. Wo die Solidarität immer wieder aufs Neue unter Beweis gestellt wird. Ganz Europa schaut auf Dich. Bisher hast Du Grandioses geleistet. Ja, Du hast Deinen Ministerpräsidenten beschämt und allen gezeigt, dass es ein gutes, ein europäisches Bayern gibt.

Der bayerische Ministerpräsident hat sich in den letzten Wochen darauf versteift, die Errichtung von Transitzonen zu fordern. Flüchtlinge sollen nicht mehr auf die ganze Bundesrepublik verteilt werden. Vielmehr sollten ihre Anträge gleich nach dem Grenzübertritt, an Ort und Stelle bearbeitet werde. Dies würde bedeuten, dass die Menschen interniert werden. Passau wäre dann bald ein riesiges Flüchtlingslager. Die Probleme würden damit zwar auch nicht gelöst. Das ist bekanntlich nur möglich, wenn man langfristig die Fluchtursachen bekämpft.

 

Der Ministerpräsident und seine Gefolgsleute in ganz Deutschland wollen aber kurzfristig ihre Popularitätswerte optimieren. Manche denken bekanntlich nicht weiter, als zur nächsten Wahl. Mit ihrer Kurzsichtigkeit drängen sie uns an den Abgrund.


EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer

Text von:

EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer

Titelbild Copyright: Stadt Passau

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